| frapp.antville.org | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
| frappieren swV. 'in Erstaunen versetzen, befremden', sondersprachl. Im 18. Jh. entlehnt aus frz. frapper (wörtlich: 'schlagen'), aus frk. *hrapon 'raufen, raffen', zu ahd. *raffon (dass.). Die Bedeutungsentwicklung hin zu 'entfremden' wohl auf Basis des Überraschungseffektes eines plötzlichen Schlages (vgl. ne. striking). | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
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Dienstag, 6. Mai 2003
NYC, Teil XXII: Über das Flanieren 04/20/03: Eine Stadt erfahre ich nicht, sondern erlaufe sie. Die Übergänge ziwschen den Vierteln mit ihrer jeweiligen Charakteristik, getrennt durch städtebauliche Brachen aus Möbelläden, Parkplätzen oder Lagerhäusern gingen beim Fahren verloren. Also Laufen, Gehen, Flanieren: Flaneur, der; -s, -e [frz. flâneur, zu flâner, siehe flanieren]: jmd., der flaniert: Der «Boulevard Leopold» ist dann abends voll von -en beiderlei Geschlechts, die ... die anderen -e betrachten. (Welt, 5.3.69, 22) flanieren <sw. V.; hat/ist> [frz. flâner, wohl über das Norm. zu aisl. flana = ziellos herumlaufen, verw. mit siehe Feld]: ohne ein bestimmtes Ziel langsam spazieren gehen an einem Ort, an dem man andere sehen kann und selbst gesehen wird: durch die belebten Geschäftsstraßen f.; man hastete auch nicht, man flanierte in Leningrad (Koeppen, Rußland 144) [Quelle: Duden, das große Wörterbuch der deutschen Sprache in zehn Bänden, 3. Aufl. 1999] Und wenn man schon in der New York Public Library im fantastischen, fußballfeldgroßem Lesesaal im dritten Stock, an hölzernem Schreibtisch mit wunderbaren Leseleuchten mit matt polierten Messingschirmen auf Platz 340 in Wörterbüchern blättert: Flaneur, der; -s, -e [..ör] <franz.> veraltend Müßiggänger, Bummler: ein nichtsnutziger F. Der wirkliche Balzac ... mußte all den Gozlans und Verdels und Janins unsichtbar bleiben, den Nichtstuern und Flaneuren. St. Zweig, Balzac 176 [Quelle: Wörterbuch der deutschen Gegenwartssprache, 14. Lfg, 1965 (Deutsche Akademie der Wissenschaften zu Berlin)] Hieße ein weiblicher Flaneur dann Flaneuse? Das Flanieren bietet die Zeit, den Blick abschweifen zu lassen in seitliche Haus- und Liefereingänge. Flanieren bietet Raum für die Verwunderung über das dörflich anmutende Bepflanzen eines Blumentrogs mit zartblau blühenden Setzlingen durch einen ältern Mann in Cordhose und kariertem Holzfällerhemd. Nachts auf dem Weg zu einem letzten Bier durch die Massen an Jugendlichen vor den Tattoo- und Piercing-Studios an der Ecke zur 6th Avenue amüsiert mich die in schlabbrigen Hosen posierende Männlichkeit. Im Schaufenster nadelt ein dunkelhäutiger Tättowierer durch den Unterarm eines Kunden. Meine Kneipe beschäftigt jetzt, am späteren Abend, einen Türsteher. – ich sage "meine", da erstens desöfteren frequentiert, zweitens unspektulär und entspannend, und drittens mein Lieblingplatz den Blick auf eine Wandmalerei mit dem Eröffnungssatz aus James Joyces "Ulysses" bietet – Im beigen Anzug und schwarzem Hemd steckt ein massiger Farbiger mit freundlichem Lächeln. Der Platz wirkt nicht so, als benötigte er einen Türsteher. Seine Zeit verbringt er mit kurzen Runden durch das Lokal, dem Rauchen von Zigaretten vor der Tür, dem Öffnen derselben für neue Gäste. Nur eine Gruppe von Männern mit Caps und NYPD T-Shirts findet keinen Einlass. Ihre roten Gesichter verrieten Alkohol und die Fähigkeit, laut werden zu können. [ak, 08:37 · referenzieren · ] Montag, 5. Mai 2003
NYC, Teil XXI: Aneignung durch Wiederholung 04/20/03: Gestern abend mit dem F-Train wieder in das Lower East Village, wieder in's Tonic. Die Aneignung einer Stadt, und sei es nur für kurze vierzehn Tage, geschieht mir durch Wiederholung, durch das Setzen von Fixpunkten. Strukturgebende Maßnahmen. Also [ak, 18:31 · referenzieren · ] NYC, Teil XX: Devotionalien 04/19/03: Chinatown, Litte Italy. Je ethnisch homogener und dem "weißen Amerika" ferner, desto verbreiteter das "Star Spangled Banner" in Schaufenstern und an Türen. Die Aufschrift "Support Our Heroes" lässt nur vermeintlich offen, ob vielleicht die New Yorker Feuerwehrleute nach dem 11. September gemeint sein könnten. In den Bars und Cafés dagegen häufig "No War"-Sticker. Besonders subsersiv scheint mir in einem Fenster das mit Duct Tape vieleckig geklebte Peace-Zeichen. [ak, 17:18 · referenzieren · ] NYC, Teil XIX: Angenehmst auf Abwegen 04/19/03: Wenige Straßen vor der Williamsburg Bridge geht es links in eine Straße, von deren Betreten meine Mutter nichts wissen darf und mein Vater mir abgeraten hätte. Hinterhofwerkstätten, kaum Beleuchtung, links ein Flachbau mit zwei verstaubten, in Aluminium gefassten Glastüren, beklebt mit handkopierten Zetteln zu stattfindenden Konzerten. Das Tonic. Sex Mob: »Trumpeter Steven Bernstein and his madcap crew always create a ruckus with their funked-up jazzparty music.« Meint Time Out. In meiner Erinnerung residiert die Formation auf irgendeiner Knitting Factory-Kompilation. Grund genug, imaginäre Elternsorgen beiseite zu schieben und in die Lower East Side zu fahren. Verhalten beginnend in dem rohen Lagerraum mit abplatzendem Putz an den Ziegelwänden, hölzernen Deckenträgern und als einzigem Konzertsaalattribut einem roten Samtvorhang im Bühnenhintergrund, sind die vier Musiker dann rasant bei der Sache. Steven Bernstein, der Kopf der Band an der Posaune, rechts ahmt der Saxophonist Briggan Krauss die Krümmungen seines Instruments in seiner Körperhaltung nach und der Bassist Tony Scherr konkurriert mit seinem Kontrabass in Korpulenz. Die Instrumente gewinnen. Der Schlagzeuger Kenny Wollesen wirkt mit Brille und schütterem Haar wie ein Neffe von Woody Allen, nur autistischer. Nach anfänglich moderatem Einspielen gerät das Quartett in einen Schwung, der statt Fingerschnippen oder Fußwippen ein dezentes Headbanging adäquat erscheinen lässt. Zur Halbzeit des Konzerts vermehrt sich die Band auf Zuruf in's Publikum um ein Alt-Saxophon und eine Tuba. Familienzusammenführung mit Gastmusikern und Produzenten: Seitdem weiß ich, dass man eine Tuba auch als Megaphon verwenden kann (durchaus lustig) und dass sich das Auslassventil für Kondenswasser auch zupfen lässt (durchaus schrill). Gibt es eigentlich Heavy Jazz? Oder Speed Jazz? Dann war es das. Aber auch mehr. Die Rückfahrt gestaltet sich, jetzt ohne Metroplan unterwegs, etwas kompliziert. Ich kapituliere vor dem Umweg über Brooklyn und dann dem A-Train über Lower Manhattan in das West Village. Und stelle auf dem nächtlichen Gang erstaunt fest, wie nah die Lower East Side meinem zeitweiligen Wohnort ist. [ak, 15:55 · referenzieren · ] Vor 25 Jahren Zu dem Silberjubiläum gratuliere ich nicht: Die erste Spam-Mail wurde vor 25 Jahren versandt. [via BBC] [ak, 12:24 · referenzieren · ] NYC, Teil XVIII: Viel, zu viel 04/18/03: K****** seufzte kürzlich: "Uff, in Frankfurt ist aber viel los!" Und jetzt finden sich in meiner aktuellen Ausgabe der Time Out New York über die nächsten Tage jeweils mehr als eine Anstreichung. Zu viel los, hier. [ak, 08:31 · referenzieren · ] Sonntag, 4. Mai 2003
NYC, Teil XVII: Klassiker mit Bohrmaschine 04/17/03: Das Whithney Museum of American Art, brachiale Betonarchitektur des ungarischen Bauhäuslers Marcel Breuer. Klassiker der Moderne, filigrane Mobiles von Alexander Calder, Ansichten von Edward Hopper, diverse Popartisten und großes Streifenbild in Rot von Mark Rothko. Eine Sonderausstellung zeigt Installationen des Architektenduos Diller & Scofidio. Aufgehängte, halb aufgeklappte Koffer zeigen Ansichtskarten der einzelnen amerikanischen Staaten. Die Rückseiten tragen alle den gleichen Text: The Date The Salutation, Partiotic remark, The description of the site, The travel itinerary. The remark to elicit envy. Meal comments. The undecipherable statement. The Closing, The Signature Währenddessen zerlöchert eine an einer Führungsschiene umherfahrende Bohrmaschine zufallsgesteuert die weißen Ausstellungswände. [ak, 22:49 · referenzieren · ] NYC, Teil XVI: Beobachtung beim Bier 04/17/03: Noch nicht neun Uhr, und der geflochtene Zopf der Bedienung scon in Auflösung. Schmale Statur, schwarze Stiefel und Strümpfe, Rock und Oberteil ebenfalls schwarz. Einziger farblicher Akzent ist der Kugelschreiber zur Aufnahme der Bestellungen an den Tischen. Sie trägt ihn im Stiefelschaft. Und nach dem zweiten Bier gibt es ein Glas Wasser mit Eiswürfeln gratis. "That you stay hydrated" meint sie mit einem Schmunzeln. An der Bar eine Frau: Sie lacht zu laut. Sie klatscht zu häufig in die Hände. Sie gestikuliert zu raumgreifend. Sie spricht zu schrill. Ein weiteres Bier. Keine Veränderungen, weder in meiner Wahrnehmung, noch in ihrem Verhalten. Alles irgendwie "zu viel". [ak, 22:46 · referenzieren · ] NYC, Teil XV: Epidermis im Ausnahmezustand 04/16/03: Die Vorsilbe deutet es schon an: Verreisen versetzt einen Ausnahmezustand. Für mich kommen jetzt hinzu: Erste Erfahrungen im Central Park (ein unwirklicher Ort in dieser Stadt, in dieser Größe), inklusive Sonnenbrand. Über achtzig Grad Fahrenheit heute. [ak, 17:11 · referenzieren · ] NYC, Teil XIV: Heimischwerdung 04/16/03: Die Erschließung einer Stadt geschieht mir durch zunehmende Vertrautheit mit dem U-Bahn-System. Beiläufiger Umkehrschluss: Orte ohne U-Bahn sind keine Städte. Nach einem Tag überracht, wie zielführend die Subway-Nutzung bereits erfolgt. [ak, 16:25 · referenzieren · ] Samstag, 3. Mai 2003
NYC, Teil XIII: Harmonienwirtschaft 04/16/03: Leonhardt St, mitten in TriBeCa. Im zweiten Untergeschoss das Old Office. Noch kein Einlass, aber durch die Tür erkenne ich Uri Caine. Die Zeit überbrücke ich mit einer Zigarette auf der Straße, wobei ich und Mitraucher gebeten werden, vor der Knitting Factory zu verbleiben. Probleme mit den Nachbarn? An der Bar neben mir fachsimpeln adrett gekleidete Gäste mit französischem Akzent mit dem Barmann über Cocktailzutaten. Mir fällt ein »Discussing cocktail recipes with the bartender is like talking about virginity with the Pope.« Irgendwann ist auch deren Schnöseligkeit ausreichend mit Gin Tonic sediert. Keller, abgehängte Decke, Rigips-Plattern gehalten durch ein grobrastriges Lattengeflecht, unlackiert, die Schnittpunkte markiert mit vergitterten Auslässen der Sprinkleranlage. Uri Caine am E-Piano, seine beiden Mitstreiter an Schlagzeug und Gitarre. Uri Caine breitet im Laufe des Auftritts seine Notenblätter vor sich aus. Das Publikum besteht aus 30 Personen. Und muss sich gefallen lassen, wie drei Herren wie getrieben durch Harmonien pflügen, ackern, graben, häckseln, rechen, harken. [ak, 14:59 · referenzieren · ] NYC, Teil XII: Drama im Park 04/15/03: Studenten der benachbarten New York University bevölkern bei hochgradigen Umgebungstemperaturen den Washington Square Park. Seminare werden auf dem sandfleckigen Rasen abgehalten. Schuhkartongroße Kameras nehmen schauspielernde Kommilitonen auf. Ein Paar kreist um den zentralen Brunnen, einen Text probend. Ihre Gehgeschwindigkeit scheint exakt mit der Textlänge synchronisiert. An mir vorbeiziehend lausche ich immer wieder dem entrüstetem Dialogfetzen: »Oh Jesus! That cannot be true!« Ein modernes Drama, vermute ich. [ak, 12:03 · referenzieren · ] Freitag, 2. Mai 2003
Licht-Bände Ein "endloses Lichtband, das sich wieder schließt, selbstverständlich wie die Natur, präzise und schön" war Vorstellung Willy Fleckhaus' zur Gestaltung der Bände der edition suhrkamp. Heute vor 40 Jahren erschienen die ersten Bände. Herzlichen Glückwunsch! [via FR] [ak, 15:21 · referenzieren · ] NYC, Teil XI: Besserwissertum in Shorts 04/15/03: Er, älter, grau verwuschelter Kopf, blaue Shorts und Sandalen an den besockten Füßen, hat den Verkäufer an der Kasse in ein Gespräch über Gott und die Welt verwickelt. Besser: Politik; nach seiner und des Angestellten Sicht die falsche, was den Irak angeht; und Bücher und das Internet. Besser: Amazon & Ebay, und deren Bedrohung des traditionellen Buchhandels, wie ihn der Verkäufer praktizieren möchte. Geld zählend über die geöffnete Kassenlade gebeugt, glaube ich ein ungläubiges Augenrollen hinter seinen Brillengläsern zu erkennen. Wieder Konsens in kürzester Zeit, ohne dass es für den Kunden Anlass wäre, die Kasse freizugeben. Andere Kunden werden beiläufig bedient. [ak, 12:16 · referenzieren · ] Nächste Seite |
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