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frappieren swV. 'in Erstaunen versetzen, befremden', sondersprachl. Im 18. Jh. entlehnt aus frz. frapper (wörtlich: 'schlagen'), aus frk. *hrapon 'raufen, raffen', zu ahd. *raffon (dass.). Die Bedeutungsentwicklung hin zu 'entfremden' wohl auf Basis des Überraschungseffektes eines plötzlichen Schlages (vgl. ne. striking). | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Sonntag, 7. November 2004
»Herzeleid« Und dann saß sie wieder, vergnügten Blickes, auf ihrem Lieblingssofa, den Rock über die Kniee gezogen. Vor einer halben Stunde hatte sie mir noch ihr »Herzeleid« geklagt. M**** reichte mir knapp bis zur Brust. Über erstaunlich schmalen Fesseln weitete sich ihr Körper bis zur Hüfte auf Maximalumfang aus, verjüngte sich dann wieder hin zu den schmalen Schultern, und schloss ab mit einem zu klein scheinenden Kopf. Ein Arm umklammerte meine Taille, mit der anderen Faust klopfte sie auf ihre Brust, pochte auf ihr »Herzeleid«. Ihr Blick wanderte panisch. Dann versenkte sie wieder ihr Gesicht in mein Hemd, am ganzen Körper bebend. Ab und an strich sie sich ihr dünnes graues Haar aus dem Gesicht, wie um der Feststellung »M**** hat Herzeleid!« mehr Ausdruck zu verleihen, ohne die Umklammerung zu lockern. Aus ihrem runden Gesicht blickten einen zwei aufgerissene, leicht schräg stehende Augen an, wieder fragend, unsicher, ängstlich. »Herzeleid?« Ich weiß nicht, wie alt M**** war. Vierzig? Vielleicht schon fünfzig? Sie hatte eine Zeit ihres Lebens gearbeitet. In einer Behindertenwerkstatt. Jetzt war sie ein Pflegefall geworden, ein Pflegefall mit Down-Syndrom. An guten Tag watschelte sie ihre Unförmigkeit durch die Flure und grüßte mit unerschütterlicher Herzlichkeit jede Person, die sie traf. Dass sie manche Besucher auch erschrak, störte sie nicht. Vielleicht bemerkte sie es auch nicht. Dann wieder saß sie an ihrem Tisch im Zimmer oder im Aufenthaltsraum, haderte mit der Faltung einer Zeitung oder Illustrierten und gab vor, zu lesen. Und sie hatte ein großes Vergnügen daran, dem Personal auf den Hintern zu klatschen. Als hätte sie ein neues, verbotenes Wort gefunden, rief sie anschließend »Bobbes, Bobbes« und brach dabei in ein atemloses, mitreißendes Gelächter aus. Am Ende deklarierte sie ihr Opfer als »M****s Schatz« und strahlte ihr unschuldigstes Lächeln, dass immer mit einer Prise Verschmitzheit vermischt war. Da waren nur diese Herzattacken. Medizinischen Erklärungsversuchen hatten sie sich immer widersetzt. Und damit auch Heilungsversuchen. Meistens nach einer guten Viertelstunde beruhigte M**** sich wieder. Man redete beruhigend auf sie ein, tröstete sie, trocknete ihre Tränen, strich ihr über den kleinen Kopf. Und wies sie darauf hin, dass ihr Kopftuch fehle oder verrutscht sei. Es war ein Trick. M**** hatte unzählige Kopftücher und sie liebte diese. Immer wieder prüfte sie den Sitz, erneuerte den Knoten, befühlte den Stoff, bewunderte das Muster, die Farben und ließ sich von allen bestätigen, wie schön ihr Kopftuch doch sei. Darüber vergaß sie oft ihr »Herzleid«, löste den Griff, und ging zufrieden und glücklich, mit aller Grazie, die ihre Statur hergab, zu ihrem Sofa, rückte die Kissen sorgfältig zurecht, setzte sich, strich über den Rock, zog diesen straff bis über die Kniee, die in groben Wollstrümpfen steckten, faltete die Hände und schaute triumphierend drein. Ihre Beine baumelten vom Sitzpolster herab, ohne den Boden zu berühren. [ak, 21:38 · ] |
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