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frappieren swV. 'in Erstaunen versetzen, befremden', sondersprachl. Im 18. Jh. entlehnt aus frz. frapper (wörtlich: 'schlagen'), aus frk. *hrapon 'raufen, raffen', zu ahd. *raffon (dass.). Die Bedeutungsentwicklung hin zu 'entfremden' wohl auf Basis des Überraschungseffektes eines plötzlichen Schlages (vgl. ne. striking). | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Donnerstag, 15. Juli 2004
Hermann war sein Name Es ist zum Ende meiner zwanzig Monate, als Hermann zu uns kommt. In den vierten Stock, Pflegestation. Oberste Etage. Endstation. Seine Tochter, blond getöntes Haar, blaues Kostüm, mit einem zwischen Strenge und Verzweiflung changierendem Gesichtsausdruck, begleitet ihn. Hermann bezieht das freigewordene Einzelzimmer. Hermanns Statur gleicht einem Möbelstück, nur das Schränke in der Regel aufrecht stehen. Hermann ist groß, stehend hätte er mich überragt. Hermann aber liegt die meiste Zeit oder sitzt in seinem Rollstuhl. Ein Schlaganfall, bevor er hierher kam, hatte ihm die Kontrolle über sein rechtes Bein genommen. Dennoch ist er außergewöhnlich kräftig. Massig feste Oberarme, ein wuchtiger Torso mit breiten Schultern. Darüber sein großer Schädel, fast haarlos die alterfleckig pigmentierte Kopfhaut. Hermann spricht nicht viel. Macht wenige Worte, wenn ihn seine Tochter besucht, der Schuldgefühle in das Gesicht geschrieben stehen. Ihre Kraft hatte nicht mehr ausgereicht, ihren Vater zu pflegen. Sie kommt mindestens jeden zweiten Tag. Mit uns spricht er noch weniger. Morgens stößt er Beschimpfungen aus. Das Waschen im Bett, für ihn unangenehm, für uns beschwerlich. Das Drehen, Wenden und Aufstützen, bei seinem Gewicht. Schließlich angezogen dreht man ihn, lässt ihn auf der Bettkante sitzen, greift beiderseits an den Hosenbund und wuchtet ihn in einer wenig galanten Pirouette in den bereitgestellten Stuhl. Dann das Rasieren. Verärgert reagierte er hatte man dabei vergessen, ihm sein Gebiss einzusetzen. Der Scherkopf des Elektrorasierers wirft auf den leeren Wangen schmerzhafte Falten. Wir müssen das Gebiss oftmals für ihn suchen, im Bett, im Nachttisch, auf dem Nachttisch, auf dem Boden. Denn Hermann ist blind. Zum Nachmittag bessert sich seine Laune. Gerne fahre ich mit ihm, erlaubt es die Besetzung der Spätschicht, in den Park. Eine karierte Decke um Beine geschlagen schiebe ich ihn über die Wege. Er strahlte in die Sonne, die er nur noch spüren kann. Irgendwann später verschlechtert sich seine Gesundheit. Die alterfleckige Haut wird fahl, sein Appetit geringer. Ich bin in die Nachschicht eingeteilt. Zwischen unseren Kontrollrunden war das Haus ruhig. Bei meiner Rückkehr von der letzten Runde vor dem Wecken ist die Nachtschwester noch bei Hermann im Zimmer. Sie habe bereits Tochter und den Arzt verständigt, teilt sie mir gedämpf mit. Hermann atmet schwer. In der fahlen Beleuchtung glänzt Schweiß auf der Stirn. Die knollige Nase wirkt spitzer. Ich übernehm die noch verbliebenen Zimmer. Bei meiner Rückkehr ist Heinrich tot. Die Pflegerin und ich waschen Heinrich. Seine Beine nehmen langsam, in meiner Erinnerung, eine bläulich gelbe Farbe an. Zum Abschluss fixieren wir das Kinn mit einer Mullbinde. Das Gebiss haben wir nicht vergessen. Wir fahren Heinrich mit dem Bett in die karge Leichenhalle im Keller. Die Tochter, wenige Tage später, jetzt in Schwarz, räumt die letzten Habseligkeiten aus Heinrichs Zimmer. Die Kleidung aus dem schmalen zweitürigen Wandschrank stiftet sie der Kleiderkammer. Den kaum getragenen grauen Wintermantel nehme ich. Er ist mir zu groß und sein Umfang reicht fast zweimal um meinen Körper. Ich habe ihn noch lange getragen nachdem ich die mit weinigen Stichen fixierte gelbe Armbinde mit den drei schwarzen Punkten entfernt hatte. Erinnerungen Erinnerung an Hermann. Und vielleicht hieß er auch Heinrich. [ak, 18:58 · ] |
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