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frappieren swV. 'in Erstaunen versetzen, befremden', sondersprachl. Im 18. Jh. entlehnt aus frz. frapper (wörtlich: 'schlagen'), aus frk. *hrapon 'raufen, raffen', zu ahd. *raffon (dass.). Die Bedeutungsentwicklung hin zu 'entfremden' wohl auf Basis des Überraschungseffektes eines plötzlichen Schlages (vgl. ne. striking). | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Montag, 29. September 2003
Ich will auch von Adorno profitieren. Auch dort: Im kargweißen Bühnenkorpus an dunkelbraunem Schreibtisch liest Hans Zischler aus dem 25. Kapitel Thomas Manns »Doktor Faustus«: »Mit dem Kerl vor mir war unterdes, während seiner letzten Reden, weylinger Weis was andres vorgegangen: Sah ich recht hin, kam er mir verschieden vor gegen früher; saß nicht länger als Ludewig und Mannsluder, sondern, bitte doch sehr, als was Besseres, hatt einen weißen Kragen um und einen Schleifenschlips, auf der gebogenen Nase eine Brille mit Hornrahmen, hinter dem feucht-dunkle, etwas gerötete Augen schimmern – eine Mischung von Schärfe und Weichheit das Gesicht: die Nase scharf, die Lippen scharf, aber weich das Kinn, mit einem Grübchen darin, ein Grübchen in der Wange noch obendrein – bleich und gewölbt die Stirn, aus der das Haar wohl erhöhend zurückgeschwunden, aber von der zu den Seiten dicht, schwarz und wollig dahinstand – ein Intelligenzler, der über Kunst, über Musik, für die gemeinen Zeitungen schreibt, ein Theoretiker und Kritiker, der selbst komponiert, soweit eben das Denken es ihm erlaubt.« Vor mir in der Reihe fesselt meinen Blick das konstante Tremolo einer Schulter unter dem groben Stoff des Jacketts in hellem Braun. Aus dem blau-weiß gestreifte Hemdkragen schlafft gebräunte, schlecht rasierte Haut, spannt sich vor in sehnigen Bögen zum Kinn, dessen Spitze noch gerade in meinem Blickkegel liegend. Seitlich hinter dem rechten Ohr scheckt das mit Haarwasser gestärkte Resthaar. Der Untergrund ein silbrig-krauses Grau, dazwischen büschelweise der gebleichte Rotton eines Fuchsfells, darüber dann, kammgezähmt und länger, das seidig-schwarz schimmernde Deckhaar. Sechzig Jahre, vielleicht ein halbes Jahrzehnt weniger oder mehr, so meine Schätzung des Herrn und des Altersdurchschnitts. Eine Matinee, organiserte Betonung der Skurrilitäten und Schnurren ihres Gegendstands, kompatibel mit einem zweistündigen Zeitrahmen. Weihevolle sonntägliche Mittage zur bildungsbürgerlichen Präsentation von Leichtbekömmlichem, veredelt mit klassischem Goldschnitt. Musealisierung. Mittendrin, jetzt und hier, ich. Und auch später, beim Wein, auf Kosten des Verlags, vor dem Bockenheimer Depot. Die dargebotenen Drolligkeiten treten in mir in Widerstreit mit der einen oder anderen geschliffenen Sentenz, derer ich mich aus laienhafter Lektüre erinnere. Zwergobst. »Ich fürchte, unsere allzu sorgfältige Erziehung liefert uns Zwerg-Obst.« [G. Chr. Lichtenberg, Sudelbücher, Heft L 349]. Dann noch im Keller der Stadt- und Universitätsbibliothek die Ausstellung zu Adorno und Frankfurt angeschaut. Chronologisch die Fotos und Schriftstücke, zunächst noch Sütterlin, bräunlich-schwarze Linienzüge auf sepiafarbenem Papier, teils auch rot die Tinte; die Korrekturen seiner Schülerarbeiten. Das Abiturzeugnis vermerkt: "Religion: befreit". Ich schmunzele über die Doppeldeutigkeit. Danach überwiegt die Schreibmaschinentype. Eine Vitrine mit Eingaben Adornos zur Einrichtung einer Fußgängerampel zwischen Institut und Universität: »Sollte ein Student oder ein Professor in jenem Zustand sich befinden, der ihm eigentlich angemessen ist, nämlich in Gedanken sein, so steht darauf unmittelbar die Drohung des Todes.« Die Ampel wurde zwischenzeitlich errichtet, 1987. Und beblinkt mein weinseliges Heimkommen, vorbei am tickenden Metronom des Theodor W. Adorno-Denkmals. [ak, 17:35 · ] |
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