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frappieren swV. 'in Erstaunen versetzen, befremden', sondersprachl. Im 18. Jh. entlehnt aus frz. frapper (wörtlich: 'schlagen'), aus frk. *hrapon 'raufen, raffen', zu ahd. *raffon (dass.). Die Bedeutungsentwicklung hin zu 'entfremden' wohl auf Basis des Überraschungseffektes eines plötzlichen Schlages (vgl. ne. striking).

Freitag, 6. Dezember 2002


Feier in Anführungsstrichen

Die Einladung zu einer Nikolausfeier in Anführungsstrichen musste gestern zur Bewältigung des Arbeitsfrustes herhalten. Diese schleichende Art von Frust, die sich über den Tag innerlich ausbreitet, und mit jedem Satz, den man schreibt, stärker wird. Ein kapitaler Frust hatte sich aufgebaut, aus den Unzufriedenheiten ebenso über die Verrichtungen des Arbeitsages wie über die Aufgaben, die ich wieder vor mir hergeschoben hatte. Im FAZ-Gebäude gegenüber hatte man auch schon die Lichter gelöscht. Also machte ich mich kurzentschlossen auf die Feier in Anführungsstrichen. Darüber rätselnd, warum ich schon wieder eine Einladung in das Atelier erhalten hatte, kurvte ich parplatzsuchend und ignorant gegenüber Hinweisschildern für Anwohnerparken durch Sachsenhausen.

Im sanitärweiß gefliesten Atelier stand ich zwischen den gelb und rot und blau behangenen Wänden. Kein kunstbeflissenes Getue störte beim Nippen am australischen Merlot. Die Erinnerungen an das gerade erst eingestellte Tun wichen. Ich schenkte mir selbst nach und, mich daran erinnernd, den ganzen Tag über noch nichts gegessen zu haben, nahm ich von dem herzhaften Laugen- und Blätterteiggebäck. Der heute eingeflogene Kanadier lobte die Temperaturen, während ich eine Zigarettenpause auf dem Bürgersteig vor dem Atelier verbrachte. Er war auf Besuch bei seinem in Frankfurt lebenden englischen Ingenieur, der theatralisch das Bild lobte, dass er seiner Mutter geschenkt hatte — und der es nicht gefallen hatte. Am Zigarettendrehen erkannten mich die mit mir rauchenden Freundinnen der Künstlerin wieder. Zurück im Atelier öffnete ich eine weitere Flasche Rotwein. Zu Neugierige fragten erschreckt nach Möglichkeiten, der intensiven Farbflecke auf Mänteln oder Hosen wieder ledig zu werden. "Staubsauger" war die trockene Antwort der Künstlerin, sie stammt aus Südafrika, ausgesprochen in diesem breit gekauten Deutsch mit englischem Unterton.

Mit dem Kanadier, dem Engländer und mir international besetzt steuerte ich das Auto über den Main in das Einbahnstraßengewirr des Westends. Die Gastgeberin hatte uns, inzwischen nur noch exakt eine handvoll Leute, zu sich eingeladen. Im Kofferraum schaukelte die Tüte mit dem restlichen Backwaren neben dem blauen Bild, das der Kanadier gewonnen hatte. Und neuerliche Mühsal der Parkplatzsuche, bis wir entnervt und durstig entschieden, die restlichen Meter zu laufen. Das Gebäck hatte seine Sesamkörner großzügig im Kofferraum verteilt. Ich raffte das im Kofferraum verstreute Gebäck zusammen und wir machten uns auf die Suche nach der richtigen Hausnummer. Nach dem Türsummen empfing uns klassisches Westend mit breitem hölzernen Treppenhaus und Glaseinsätzen mit Gravuren in den schweren Wohnungstüren. Stuck, nicht original, verzierte die Decke der großzügigen Wohnung. An den hohen, orangefarbenen Wände prangten riesige Originale. Zu weiterem Rotwein gab es nun Hühnchen und Gemüse vom Thai nebenan. Lebhafte Diskussionen wogten über den Esstisch, wobei der Kanadier insistierte, sein Land befände sich im Krieg mit Bush. Vom kleinen Balkon herab frotzelte ich mit dem Engländer bei einer Verdauungszigarette über die spärliche, aber blinkende Weihnachtsbeleuchtung im gegenüberliegenden Haus. Zurück am Tisch fragten wir die Bekannte der Gastgeberin mit dem Steffi Graf-Gesicht nach dem Wohlergehen von André. Sätze in Deutsch, Französisch, Englisch und Italienisch woben ein wirres Geflecht zwischen uns. Wo der Engländer sich weigerte, Deutsch zu sprechen, versuchte sich der Kanadier an der Aussprache des Wortes "Schnapps". Den gab's dann in Gestalt russischen Wodkas. Wir versuchten noch, dem Kanadier das ministrable Potenzial des Hauses zu vermitteln, in dem er sich befand, denn es hatte in den Siebzigern zu den besetzten Häusern im Frankfurter Westend gehört. Zu spät zurück auf der Straße suchte ich eine Viertelstunde nach meinem Auto, dass ich nicht mehr hätte fahren dürfen. Es chauffierte mich mit lauter Musikuntermalung sicher nach Hause. Feier ohne Nikolaus, aber dafür mit Ausrufezeichen!

[ak,  23:59 · ]

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