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frappieren swV. 'in Erstaunen versetzen, befremden', sondersprachl. Im 18. Jh. entlehnt aus frz. frapper (wörtlich: 'schlagen'), aus frk. *hrapon 'raufen, raffen', zu ahd. *raffon (dass.). Die Bedeutungsentwicklung hin zu 'entfremden' wohl auf Basis des Überraschungseffektes eines plötzlichen Schlages (vgl. ne. striking). | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Freitag, 8. November 2002
Bilder einer Ausstellung Auf der Fahrt zur Vernissage bewegt sich der Verkehr peristaltisch über die feucht-glänzende Autobahn. Feierabendwütigkeit, gefesselt im Stop & Go. Die Einladung hatte ich durch den Erwerb von sechs kleinformatigen Arbeiten, Fractals I-VI, direkt von der Künstlerin erhalten. Jetzt wollte ich vor allem die Haushaltskasse schonen und hoffte auf Häppchen und Champagner. Der Regen verschärfte den üblichen Feierabendstau auf der A5, inoffizielle Grenze zum versnobten Vordertaunus. Die Ausstellung fand in den Büroräumen einer Freundin der Künstlerin in einem trist-dunklen Gewerbegebiet eines Vororts von Bad Homburg statt. Mit roten Blinklichtern armierte Jogger umkurvten Lagerhallen und Gewerbeflachbauten. Das Büro fand sich in einem dreistöckigen Mehrfamilienhaus, weißgrau verputzt mit dunkelbraunen Balkongitterriegeln über die gesamte Vorderfront. Wie geplant erschien ich nicht zu pünktlich, aber auch nicht ungebührlich spät. Im Hausflur braune Fliesen aus den siebziger Jahren, weiße Strukturtapete fasste die dunkelbraunen Türrahmen ein. Das Büro der Einrichtungberaterin, jetzt die Ausstellungsräume, war leergeräumt bis einige Beistelltische, modern, metallen mit Glas und Preisschildern, krischbaumfarbenen Massivholzregalen mit Musterkatalogen italienischer Möbel- und Lampenhersteller sowie einem dunklen Kuhfellsessel. An den wenigen Wandflächen hingen die neuen Bilder, Anlass dieser Vernissage. Gelb-, Orange- und Rottöne dominierten die abstrakten Kompositionen in intensivem, haptischen Farb- und Pigmentauftrag, den ich von meinen Bildern kannte. Wärmer, als die blauschwarzen Varianten, die in meiner Wohnung den Spitznamen Das blaue Wabern tragen. «Und sie kommen von der Zeitung?» fragte mich die Dame, die mir die Einrichtungsberaterin als ihre Mutter vorgestellt hatte. Ich nutzte die Gelegenheit, kurz die Stirn in Falten zu legen, bevor die Gastgeberin den Irrtum aufklärte und mir ein Glas Champagner offerierte. Meine Rechnung schien aufzugehen. Im Nachbarraum entdeckte ich die Künstlerin, einzige Person die ich hier von meinen vorherigen Atelierbesuchen kannte. Herzliche Begrüßung gefolgt von desinteressierter Erkundigung nach gegenseitiger Befindlichkeit, um in Lästereien über diese gottverlassenen Ort und die Immobilität ihrer Vordertaunusklientel einzuschwenken: Bad Homburg vor der Höhe begibt sich doch höchst ungern in die Frankfurter Niederungen. Kunstinteressiert den Blick über die ausgestellten Exponate schweifen lassend bewegte ich mich auf das Tablett mit der Champagnerflasche zu. Nachschenkend lauschte ich den begeisterten Ausführungen eines dicklichen Mannes in grauem Anzug über seine neuesten technischen Errungenschaften für sein Heimkino. Seine weibliche Zuhörerschaft, darunter auch seine attraktive Sekretärin, wie ich später erfuhr, schlussfolgerte unlogisch aber konsequent aus seinen Ausführungen, dass sie bei ihm dann ja Harry Potter schauen könne. Kokett verdrehte er daraufhin seine Augen und platzierte mit seinen wurstigen Fingern die Marlboro Ultra in die zierlichen Aschenbecherchen. Die Künstlerin stellte mir, an der Champagnerflasche vorbeihuschend, die beiden neben mir rauchenden Frauen als ihre Freundinnen vor. Das Gespräch kam auf Notfallaufnahmen, Motorradunfälle (der dickliche Mann), die Qualität des Kreiskrankenhauses und Oberschenkelhälse (den der Mutter der einen, dunkelhaarigen Freundin). Die Themenfolge mäanderte weiter, um im Bausparvertrag der dunkelhaarigen Freundin zu kulminieren, der in wenigen Jahren fällig werde, um dann hierfür eingesetzt zu werden. Hierbei zog sie mit einer Hand hinter den Kopf her greifend ihre Gesichtshaut an Schläfe und Augenwinkel straff zurück. Mir schoss Fassadenarbeiten durch den Kopf, um die Zweckgebundenheit des Bausparvertrages aufrecht zu erhalten, derweil die blonde Freundin telefonisch nach ihrem Lebensgefährten fahndete. Weitere geladene Gäste trafen ein und hielten sich an den Zahnstochern der gereichten Snacks fest. Von der Gastgeberin erhielt ich noch ein Los für die Verlosung dreier Preise: Ein Teelichtglas mit rosafarbener textiler Strassumfassung, ein ebensofarbener Pantonstuhl sowie ein kleines Bild der Künstlerin in einem warmen Baccara-rot. Champagnermunter begann die kleine Runde um den Hauptaschenbecher sich gegenseitig den zweiten Preis, den Stuhl, an den Hals, besser in die Wohnung zu wünschen. Die Champagnerflasche fand sich in immer kürzeren Abstand leer auf dem Tablett wieder. Aber bisher waren nur die Gläser zu Neige gegangen. Mir gegenüber trank ein Mann mit glänzend-rötlicher Gesichtshaut in grünem Tweed-Sakko, gelbbrauner Cordhose und blauem Hemd aus einem Weinglas. Aus den Gesprächen erfuhr ich von seiner Farbenblindheit und ich überlegte, ob diese eine Erklärung für die Kleiderwahl mit gelbseidenem Einstecktuch sein könne. Erstaunlich spät trafen immer noch Paare ein, die ich weit dem Rentenalter zugeordnet hätte. Ein kräftiger Herr in Burlington-Pullover und mit Sonnenbrille im grauen Haar prahlte vor der Künstlerin tieftönend mit seinen Englischkenntnissen. Seine Frau, sehr amerikanisch, sehr bonbonfarben, lamentierte mit hessischen Unterton von den Problemen mit dem Zahlencode ihres einzementierten Safes. Einer älteren Dame mit verdächtig straffer Haut um die Mund- und Nasenpartie, die das Gebiss fast hervorspringen ließ, reichte ich die ausliegende Preisliste zu den Bildern. Umgerechnet entsprach der Quadratmeterpreis dem einer gut ausgestatteten Immobilie in Frankfurt. Die Dame enthauchte ein stilles Uuch. Bei der Verlosung gewann der Farbenblinde den Pantonstuhl. Ein salomonisches Urteil. Nach einem weiteren Glas Champagner und kleinen Frotzeleien hier und da verabschiedete ich mich in dem Moment, wo sich die Gesellschaft in das Thema Politik und die Nutzlosigkeit von steueroptimierenden Verlustgeschäften zu verbeißen begann. Der dicke Mann empfahl zum wiederholten Mal, dass die Regierung zu dem Spiel Civilization gezwungen werden solle, damit sie ihr Tun endlich verstehe. Ich glaube nicht, dass viele dieses verstanden haben, aber es wurde fröhlich genickt. Eigentlich ganz netter Abend, diese meine erste Vernissage. [ak, 21:55 · ] |
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