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frappieren swV. 'in Erstaunen versetzen, befremden', sondersprachl. Im 18. Jh. entlehnt aus frz. frapper (wörtlich: 'schlagen'), aus frk. *hrapon 'raufen, raffen', zu ahd. *raffon (dass.). Die Bedeutungsentwicklung hin zu 'entfremden' wohl auf Basis des Überraschungseffektes eines plötzlichen Schlages (vgl. ne. striking).

Samstag, 26. Oktober 2002


Siechtum am Wochenende

Gestern am Nachmittag um drei Uhr fängt es an. Plötzlich. Überraschend. Unangenehm überraschend. Ich warte noch auf letzte Abstimmungen über eine Präsentation: «Diese Linie vielleicht doch besser gestrichelt? Geht das?» «Klar, kein Problem» meine lustlose Antwort. Meine Stimme klingt tonlos, mit dezent krächzendem Unterton. «Wofür ich bezahlt werde!» schießt mir gereizt durch den Kopf. Körperliche Reizungen kommen irgendwo aus den Tiefen der Rachengegend. Bei der Überarbeitung und den letzten Korrekturen an der Präsentation spüre ich die Druckerhöhung im Bereich der Nasenwurzel, dazu reduziert leichter Ohrendruck das Hörempfinden zu einer allgemeinen Dumpfheit. Widerspiegelung der Stumpfheit meiner Arbeit? Noch müssen Ausdrucke vorbereitet werden, diverse Mails stehen noch aus. Telefonat mit Kollegen zur Vorbereitung der nächsten Woche. Der Blick in den Spiegel über den Handwaschbecken offenbart leicht glasige Augen und gerötete Bindehaut. Nies- und Hustenattacken suchen mich in immer kürzeren Abständen heim, aber immer unvorhersehbar. Panisch beginne ich auf den benachbarten, wochenendlich aufgeräumten Schreibtischen nach Ersatz für mein durchweichtes Taschentuch. Mist! Der Ausbruch einer veritablen Erkältung gerade jetzt zum Wochenende versetzt mich in den Zustand einer veritablen Verärgerung. Gleichzeitig merke ich, wie das Gefühl von Schlaffheit und Unlust immer größer wird. Es ist fünf Uhr. Noch halte ich an meinen Rauchpausen fest, auch wenn es höchste Körperbeherrschung erfordert, sich nach ersten Zügen nicht unter eruptiven Hustenanfällen zu krümmen. Ich weiß, meine Abendplanung ist obsolet geworden. Gleichzeitig widert mich die unausweichliche Aussicht auf einen Abend auf dem Sofa an. Mit den noch anwesenden Kollegen leere ich eine im Kühlschrank vergessene Flasche Sekt. Der Alkohol besänftigt meine Husten- und Niesreize etwas. Ich merke, wie die Atmung durch die Nase rasselnder, erschwerter wird. Auf der Heimfahrt in der S-Bahn fallen alle Mitreisenden unter dem Generalverdacht des möglichen Ansteckungsherdes. Was natürlich eine Umkehrung der Sachlage ist, aber krank werdend erlaube ich mir jede Ungerechtigkeit. Auf dem Weg von der S-Bahn-Station zur Wohnung beginnt es noch zu regnen. Zuhause ist mir kalt, die Welt scheiß egal und ich fühle mich unendlich siech. Dreißig verfügbare Fernsehkanäle sind eine einzige Quelle der Demotivation. Ich ergötze mich an meinem Elend. Noch nicht abgelegte Post der Woche wandert vom Küchentresen auf den Schreibtisch. Für ein Abheften reicht mein Elan schon nicht mehr aus. Auf dem Sofa kauernd spiele ich mit den Fernbedienungen von Musikanalage und Fernseher. Star Trek ohne Ton, untermalt mit krudem Jazz von einem Knitting Factory-Sampler und der Liveübertragung des Jazzfestivals. Der Tisch füllt sich mit zerknüllten, mit grüngelbem Sekret angereichterten Papiertaschentüchern. Ich wünsch mir selbst eine gute Nacht. Man wird ja noch wünschen dürfen!

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