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frappieren swV. 'in Erstaunen versetzen, befremden', sondersprachl. Im 18. Jh. entlehnt aus frz. frapper (wörtlich: 'schlagen'), aus frk. *hrapon 'raufen, raffen', zu ahd. *raffon (dass.). Die Bedeutungsentwicklung hin zu 'entfremden' wohl auf Basis des Überraschungseffektes eines plötzlichen Schlages (vgl. ne. striking). | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Samstag, 7. Juni 2003
Synkopen im Kopf Hochsommerliches Zeltfestival. Omnipräsenz hässlicher Männerbeine in noch hässlicheren kurzen Hosen. Die schulterlangen Nichtfrisuren der Frauen hochgerafft, hochgesteckt, durch Gumminbänder gebändigt. Im Sechspfostenzelt riecht es nach der Gummihaut des Dachs, die Nähte gelbrot gepaspelt. Sandiger, aufgeschütteter Boden wechselt ab mit ausgetretener, ausgedorrter Grasnarbe. Die Holzstühle im Oval des Innenraums strahlen die gleiche holzbraune Umgemütlichkeit aus wie vor elf Jahren. Der letztmalige Besuch, bedeutsam, bedeutsam gewesen. Dejà Vu. Gelehnt an einen seitlichen Dachträger wohne ich dem Auftritt des Sun Ra Arkestras bei. Schwarzer Jazz-Priestertum im funkelnden Geschenkpapierornat. Kopfbedeckung wie aus Gold- und Silberfolie gefaltet. Den anschließenden Auftritt eines Trios an Klavier, Kontrabass und Schlagzeug nutze ich für die Beschaffung von Bargeld und Bier. Kostenoptimierung. Die festivaleigenen Wertmarken für Getränke erinnern mich an heimische Schützenfeste mit Bierbillets. Vor dem abschließenden Auftritt des Abends sitze ich auf einer Zugangstreppe vor dem Zelt, trinke passabel kühles Dosenbier und versuche das Gespräch hinter mir über die Qualität von Wundsalben und Schorfbildung zu ignorieren. Demonstrativ wird ein aufgeschlagenes Knie über meine rechte Schulter gereckt. K****** wird nicht vor halbzehn auftauchen. Trotz dieser Vermutung prüfe ich immer wieder mein Mobiltelefon auf eingegangene Nachrichten oder verpasste Telefonate. Aus dem Zelt hinter mir dringen die letzten Soundchecks von Ljiljana Buttler und der Mostar Sevdah Reunion. Balkan-Blues. Ethno-Jazz. Die Etikettierung taugt wenig, als die sechs Männer (Geige, Klarinette und Akkordeon, Schlagzeug und drei an Gitarren) die Bühne betreten. Der Sänger im weißen Anzug und schwarzem Hemd verströmt eine Schmalzigkeit, die zur Musik passt, einen Gebrauchtwagenkauf aber sofort verhindern würde. Die dahinzigeunerte Musik verströmt Lebensfreude pur. Auf den roten Holzbänken der Ränge beginnt mein Bein zu wippen. Noch während des ersten Stücks ruft mich der Vibrationsalarm und der ersehnte Name auf dem Display aus dem Zelt. Die frühabendliche Helle in ihrem Kontrast zur Zeltdüsternis lässt mich blinzelnd die Treppe heruntergehen, bevor ich überhaupt ein Wort verstehe. In das Gras blickend, die Augen gewöhnen sich langsam an das Licht, erwarte ich die Mitteilung über weitere Verspätung. Pfingstreiseverkehr. Und dann ein belustigtes Klopfen auf meine Schulter. Hinter mir, verschmitzt lächelnd, den Kopf gegen das Mobiltelefon geneigt, K******. Wiedersehen. Später, nachts durch die Budengassen, dahinter die Zeltplätze. Feuerschlucker, Bongospieler. Hippie-Kitsch en gros und Buden für den globalisierten Gaumen. Entspannt trunkene Stimmung. Über dem gesamten Gelände liegt eine Dunstwolke von Grillfeuern und Rauchwaren. Die Sterne sind kaum auszumachen. Schöner Abend, schwieriger Abend. Zergrübelter Weg zurück in das Hotel – auch ein Distinktionsgewinn gegenüber meinem letzten Besuch vor elf Jahren. Das WLAN im Zimmer funktioniert problemlos, nur weiß ich weder, was ich suche, noch was ich sagen soll – Die Gedanken verknotet lege ich mich endlich hin. Schlagen und nicht schlafen können. Das Hirn hämmert Synkopen. [ak, 11:47 · ] |
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